Zu den heiligen Schutzengeln Juist

Die jetzige Kirche wurde von Touristen für Touristen erbaut. Dadurch, dass immer mehr Menschen, darunter viele Katholiken, nach Juist strömten, wurde der Wunsch größer wenigstens am Sonntag eine Hl. Messe besuchen zu können. Nach einer unbefriedigten Notlösung in einem angemieteten Restaurantraum, taten sich einige Touristen zusammen und gründeten einen kath. Strandclub, dessen Zweck hauptsächlich war, eine katholische Kapelle zu erbauen. 1909 hatte man 2000 Mark zusammen, die Gemeinde Juist stellte ein Grundstück zur Verfügung und das Bistum gab jährlich 500 Mark zum Unterhalt eines ständigen Priesters. So konnte 1909 der erste Spatentisch gesetzt werden und 1910 die erste Hl. Messe gefeiert werden.

Ein Eindruck vom Taizégebet im Juli 2023

Wenn Sie nun in die Kirche kommen, dann können Sie zuallererst den Raum für sich wahrnehmen. Setzen Sie sich gerne einen Moment und lassen die Atmosphäre auf sich wirken.

Vor dir, Gott
Ich sitze vor dir, Gott
Aufrecht und entspannt.
In diesem Augenblick
Lasse ich alle meine Pläne,
Sorgen und Ängste los.
Ich lege sie in deine Hände.
Gott, ich warte auf dich.
Du kommst auf mich zu.
Du bist in mir, durchflutest
Mich mit deinem Geist.
Du bist der Grund meines Seins.
Öffne mich für deine Gegenwart,
damit ich immer tiefer erfahre,
wer du bist.

nach Dag Hammarskjöld

Die Fenster, die viele Menschen in ihren Bann ziehen, wurden von Tobias Kammerer geschaffen und bekamen ihren Platz bereits 1997. Hergestellt wurden sie im Glasstudio Derix, Wiesbaden. Bei Kammerers Aufenthalten auf der Insel genoss er die Stimmungen am Meer und die verschiedenen Launen der See. Seine Glaskunst berichtet von der ruhigen, aufbrausenden und stürmischen See. Die Fenster lassen in wunderbarer Weise das Licht in die Kirche fallen, das Ursymbol für Gott. Die Kirche ist licht und hell, sie spricht von Weite und Freiheit, gleichzeitig vermittelt sie aber auch Geborgenheit, etwas von der Nähe Gottes.

Wenn wir den Blick nach vorne in den Chorraum werfen, dann sehen wir dort noch die beiden Ursprungsfenster, links einen Schutzengel, die Patronen unser Kirche und rechts das Nikolausfenster, der Patron des Seefahrer. Der Glasmaler Luege aus Osnabrück hat diese gestaltet. Es sind Schenkungen der Familie Eckart aus Köln, sowie der Freiherren von dem Brock. Ebenfalls rechts befindet sich das Jonafenster, auch von Tobias Kammerer entworfen. Dieses Fenster ist weniger direkt zu sehen, dafür spiegelt es sich umso schöner und wirft im Sonnenlicht wunderbare Farben an die gegenüberliegende Wand.

Wenn wir den Blick nach links werfen, dann sehen wir dort ein Fresko des Hl. Ludgeris. Der damals bekannte Kirchenmaler Hubert Dürnholz aus Düsseldorf schuf 1920 das Fresko im linken Chorraum. Der Heilige predigte auf der Insel Bant (Vorgängerinsel in der Emsmündung). Darunter sehen wir eine Reliquie des Hl. Ludgeris. Diese wurde der kath. Gemeinde auf Juist im Jahr 2014 von einer Essener Ordensgemeinschaft geschenkt. Eine beiliegende Urkunde und eine Bescheinigung dieser Ordensgemeinschaft verbürgen die Echtheit der Reliquie 1. Ranges des Heiligen. Es handelt sich dabei um einen kleinen Knochensplitter aus dem rechten Arm. Es gibt nur wenige Reliquien von ihm, deswegen ist sich die Gemeinde der Kostbarkeit dieses Geschenkes bewusst. Die Fassung trägt das Motto des Heiligen: „Ich verkünde Euch Christus“.

Dieses Motto könnte man für den ganzen Kirchenraumes wählen. Christus zu verkündigen, auf ihn hinzuweisen und den Menschen mit ihm in Beziehung zu bringen. Dazu will dieser Kirchenraum einladen.

Der Altar wurde vom Bildhauer Auf der Heide aus Alfhausen entworfen und 1974 ausgeführt. Es zeigt den Sturm auf dem See. Der Ambo mit dem aufkeimenden Weizenkorn wurde von Ernst Rasche, Mühlheim, entworfen.

Umso stimmiger, das auch die Arme von Jesus Christus, welcher in der Apsis zu sehen ist, weit geöffnet sind für den Betrachter. Das Oberammergauer Kreuz fügt sich gut ein, in die jetzt ebenfalls neu ausgemalte Chorwand, die mit ihrer roten Farbe, Symbol für die Liebe, aber auch Symbol für Blut, das vergossen wird, die sich von unten nach oben hin öffnet und heller und leichter wird, Himmel und Erde verbindet, auch den Weg zur Auferstehung versinnbildlicht. Ebenfalls im Rahmen der jüngsten Umgestaltungsmaßnahmen malte der Künstler Tobias Kammerer die Taufnische aus. Sie greift die Motive der Fenster auf, das Leben am Meer mit dem Kommen und Gehen von Ebbe und Flut, dem Kreislauf des Lebens. Und wenn man genau hinschaut, dann sind ganz zart zwei Kreuze mit hineingemalt. Wir sind getauft auf Tod und Auferstehung Jesu Christi. Den Taufbrunnen dort schuf der Künstler Ferdinand Starmann aus Neuenkirchen (Oldenburg) im Jahr 1984.

Detailaufnahme auf dem Taufbrunnen

Die Sakramentskapelle wurde ganz neu gestaltet. Der Verputz ist aus Juister Sand hergestellt und spiegelt den Strand mit seinen in den Sand gegrabenen Wellen wider. Das Fenster hinter dem Tabernakel stammt aus der Hand des bekannten Künstlers Andreas Felger. Es zeigt eine aus dem Dunkel der Erde aufsprossende Ähre, die sich nach oben hin vollendet in der Sonne, dem Zeichen der Auferstehung. Hier finden alle Symbole ihre Vollendung, hierhin münden sie.

Der Entwurf für den Tabernakel, der einfach schlicht aus Glas gestaltet ist, ist wieder von Tobias Kammerer. Durch das Glas schimmert der Kelch hindurch und lässt so den erahnen, der geheimnisvoll unter uns gegenwärtig ist, Jesus Christus. Die Glasarbeit und Installation wurde durch die Firma Peters, Paderborn, ausgeführt. Der einfache Altartisch unter dem Tabernakel fügt sich gut in das Ganze ein und lässt sich so bewegen, dass in der Kapelle (im Winter) auch die Eucharistie gefeiert werden kann. Der Fensterzyklus endet dann mit dem Erlösungsfenster, wieder von Tobias Kammerer, das besonders im Abendlicht erstrahlt in den warmen Farbgrundtönen. Das ist die christliche Grundbotschaft, wir sind schon erlöst und gehen unserer vollen Erlösung entgegen.

Links sehen wir die Muttergottesnische. Die Mariendarstellung stammt von 1965 und wurde vom Bildhauer Gomille aus Rheine geschnitzt. Im Rahmen der Umgestaltungsmaßnahmen im Januar 2016 wurde die Nische vom Künstler Tobias Kammerer neu ausgemalt in blau, was die Farbe der Muttergottes ist und auch die Farben des Meeres aufgreift. Das Firmament wurde dargestellt mit selbst gefundenen Bernsteinen vom Juister Strand, sie sollen den Sternenhimmel darstellen.

Kirchen am Meer oder Wasser haben öfters den Namen: „Maria Meeresstern/Stella maris“ – Maria die den Seefahrern in der Not die Richtung weist und übertragen: Maria die uns in der Not beisteht.

Wer schon mal an der Klagemauer in Jerusalem gestanden ist, weiß wie unglaublich eindrucksvoll dieses Bauwerk wirklich ist in seiner enormen Höhe und der Größe der einzelnen sandsteinfarbenen Quader, die da aufeinandergetürmt sind. Wenn man dort steht, wird einem in der Relation die eigene winzige Größe klar. Die Klagemauer war die Westmauer der Tempelanlage. Sie war nicht primär ein Ort der Klage sondern des Gebetes und ein Ort der Gegenwart Gottes für das Volk Israel, weil diese Mauer die Zerstörung des Tempels überstanden hatte. Sie stellt für viele Juden ein Symbol für den ewigen, bestehenden Bund Gottes mit seinem Volk dar. Sie ist 48 Meter lang und 18 Meter hoch. Täglich besuchen viele Menschen die Klagemauer, um zu beten. Viele stecken auch aufgeschriebene Gebete, Wünsche und Danksagungen in die Ritzen und Spalten der Mauer. Diese Tradition der Gebetszettel geht wohl bis ins frühe 18. Jahrhundert zurück. Hier in der Kirche gibt es auch eine „Klagemauer“, eine ziemlich kleine zwar, aber mit einem ähnlichen Anliegen. Aufgebaut aus den typischen Juister Klinkersteinen, darüber ein Bild von der ursprünglichen Klagemauer in Jerusalem. Es bietet die Möglichkeit, dort  Gebetszettel in die Ritzen zwischen den Steinen zu legen. Ursprünglich war es nur bis Ostern gedacht; wir haben die Zettel dann im Osterfeuer verbrannt. Aber es hat sich als ein ganz guter Ort erwiesen, um die persönlichen Anliegen, die Sorgen, Ängste und auch den Ärger und die Wut über Dinge, die im Leben schwer sind, Gott anzuvertrauen, abzugeben, einem viel Größeren in die Hände zulegen. Vielleicht auf diese Weise, auch etwas mehr los-zulassen, so als wenn man sich etwas mal von der Seele reden kann.

Und was hat es eigentlich mit dem Namen auf sich? Die Kirche trägt den Namen „Zu den Heiligen Schutzengeln“ schon seit mehr als 100 Jahren. Sicherlich deshalb, weil schon damals sich die Menschen nach Schutz gesehnt haben, ihn dringend brauchten und man um die Anfälligkeit der schmalen Insel bei Sturmfluten wusste. Seit Ende 2018 ist vor der Kirche diese eindrucksvolle Engelfigur aus Bronze von Wolfgang Lamché zu finden. Die Stele ist aus dem alten Altarstein, der lange Jahrzehnte in der Kirche gestanden hat. Eine Anekdote von Grundschulkindern dazu: Auf die Frage: Was ist das? Die Antwort: Ein Engel. Woher weiß man dass? Er hat Flügel. Welche Sorte Engel? -nach einigem Raten: ein Schutzengel? Woran erkennt man das denn? „Er sieht aus, als wenn er einen umarmen möchte.“ Und was ist mit den Händen? Eine nach oben offen, zum Himmel, eine nach unten offen. Es sieht so aus, als wenn die Hand einem auf die Schulter gelegt wird, oder? Einer von den Jungs sagte: „Die Hände? ich weiß es : Er kann Karate!“ Ja, genau , unser Schutzengel von Juist kann sogar Karate! Er/sie ist eben ein richtiger Schutzengel!

Diese Kirche will eine echte Schutzengelkirche sein und sie ist es auch: einladend, offen, gastfreundlich, und schützend für das wirklich intime Innere , für die feinen Herzensangelegenheiten der Liebe und des Friedens, für die göttliche Dimension unseres Lebens, für den Einbruch des Himmels in unser irdisches so alltägliches Leben.
Unser Schutzengel soll ein Willkommensgruß des Himmels an alle sein, die an unserer katholischen Kirche vorbei kommen- ob sie nun hineingehen oder einfach nur vorübergehen.

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